Wie können Lehrpersonen Jugendliche dabei unterstützen, ihre Interessen und Talente herauszufinden? Die Frage ist oft nicht einfach zu beantworten. Denn die klassische Berufsorientierung im Unterricht oder im persönlichen Gespräch reicht manchmal nicht aus, um individuelle Qualitäten klar zu erkennen.
Testverfahren von Profis
Ein geeignetes Instrument, um Potenziale zu erkennen und zum Thema zu machen, sind professionelle Potenzialanalysen. Dabei handelt es sich um ein psychologisches Testverfahren mit anschließender persönlicher Beratung, wie sie etwa das WIFI anbietet. Dank einer Potenzialanalyse lassen sich Eigenschaften, Motivation und Fähigkeiten besser erkennen, reflektieren und in der passenden Ausbildung weiterentwickeln.
Der „heißen Stuhl“
Nachdem die Ressourcen im Schulunterricht für professionelle Potenzialanalysen begrenzt sind, kann man sich auf andere Weise helfen: mit einer Potenzialanalyse zum Selbermachen. Die kann durchaus spielerischer und „lockerer“ sein, als eine Profi-Potenzialanalyse. Sie erfüllt aber den gleichen Zweck: Nämlich einen strukturierten Nachdenkprozess über Entwicklungspotenziale zu starten.
So gelingt’s!
So funktioniert die Potenzialanalyse im Klassenzimmer:
- Lesen Sie sich nach Möglichkeit zum Thema Potenzialanalyse ein. Theoretisches Hintergrundwissen inspiriert beim Entdecken und Reflektieren.
- Das Format der Potenzialanalyse ist – wie bei einer TV-Show – „der heiße Stuhl“.
- Darauf setzen sich die Jugendlichen, die Ideen und Inputs für ihre Zukunft brauchen.
- Um den „heißen Stuhl“ herum sind Klassenkolleg:innen platziert. Ihre Aufgabe: Sie stellen rasch viele konkrete Fragen. Zum Beispiel: Was kannst du gut? Was kannst du schlecht? Was willst du werden – und was nicht? Warum? Was willst du in fünf Jahren tun? Wie viel Geld willst du verdienen? Was ist dir wichtig?
- Die Person am „heißen Stuhl“ soll möglichst rasch und präzise antworten.
- Wichtig für den Erfolg ist: Dass andere Schüler:innen – oder Sie als Lehrperson – die Antworten mitschreiben (z.B. auf der Tafel oder auf einem Flip-Chart).
- Nach 10 bis 15 Minuten am „heißen Stuhl“ ist der Auftritt vorbei – und die nächste Person nimmt Platz und beantwortet Fragen.
- Die spielerische Atmosphäre, aber auch die Dokumentation der Antworten tragen zum Gelingen bei. Denn auf dieser Basis kann man gemeinsam über Antworten, Aussichten und Perspektiven reflektieren – und natürlich in Vergleichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen. Selbstverständlich ist aber auch eine verantwortungsbewusste Moderation in Verbindung mit klaren Spielregeln entscheidend für positive Ergebnisse, sowie eine positive Atmosphäre.
- Diese Guidelines können als Grundlage dienen, um das Spiel „Der heiße Stuhl“ im Rahmen einer Potenzialanalyse effektiv und respektvoll durchzuführen:
1.) Respekt und Empathie: Alle Beteiligten, sowohl die Schüler:innen am „heißen Stuhl“ als auch die Klassenkolleg:innen, müssen respektvoll miteinander umgehen. Kritik sollte konstruktiv und unterstützend formuliert werden.
2.) Offenheit und Ehrlichkeit: Die Teilnehmenden sollten ermutigt werden, offen über ihre Stärken, Schwächen, Ziele und Wünsche zu sprechen. Ehrlichkeit fördert eine authentische Potenzialanalyse.
3.) Aktives Zuhören: Die Klassenkolleg:innen sollten aufmerksam zuhören und gezielte Fragen stellen, um diejenigen am „heißen Stuhl“ besser zu verstehen. Dies fördert eine tiefergehende Reflexion über die eigenen Potenziale.
4.) Zeitmanagement: Jede Person am „heißen Stuhl“ sollte angemessen viel Zeit haben, um ihre Antworten zu geben. Eine zeitliche Begrenzung pro Person kann sicherstellen, dass das Spiel flüssig verläuft.
5.) Vielfalt der Fragen: Die gestellten Fragen sollten vielfältig sein und verschiedene Aspekte abdecken, wie Fähigkeiten, Interessen, berufliche Ziele und persönliche Werte. Dies ermöglicht eine umfassendere Potenzialanalyse.
6.) Feedback-Kultur: Nach jeder Runde am „heißen Stuhl“ sollten kurze Feedback-Runden eingebaut werden. Dies ermöglicht den Schüler:innen, ihre Erfahrungen zu teilen und fördert eine positive Lernatmosphäre.
7.) Freiwillige Teilnahme: Die Teilnahme am Spiel sollte freiwillig sein, um Druck zu vermeiden. Ein Zwang könnte die Atmosphäre negativ beeinflussen.
8.) Vertraulichkeit: Es sollte betont werden, dass die während des Spiels geteilten Informationen vertraulich behandelt werden, um ein offenes und vertrauensvolles Umfeld zu gewährleisten.
Selbstreflexion als Grundstein
Wichtig ist, dass die Jugendlichen am Ende der Potenzialanalyse im Klassenzimmer ein besseres Bild über ihre Stärken und Qualitäten haben – und vielleicht dazu animiert werden, ihre Stärken, Schwächen und Wünsche intensiver zu reflektieren.
Wer mehr über sich selbst erfährt, kann mehr aus der eigenen Zukunft machen. Ist der Prozess erst einmal angestoßen, kann sich vieles in die richtige Richtung entwickeln.
No front: Wer mehr kann, ist besser dran
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